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Lailling wechselte den Landkreis und Otzing wollte nicht zu Plattling

Zeit der Entscheidungen

Während die Ortschaft Lailling vom Altlandkreis Landau nach Deggendorf wechselte, behielt die Gemeinde Otzing ihre Eigenständigkeit. − Foto: Enrico Saller

Während die Ortschaft Lailling vom Altlandkreis Landau nach Deggendorf wechselte, behielt die Gemeinde Otzing ihre Eigenständigkeit. − Foto: Enrico Saller

04.07.2022

Otzing/Lailling/Plattling. In den 1970er Jahren hat Bayern seine Gemeinde- und Landkreisgrenzen neu geordnet. Die Verwaltungsstrukturen stammten noch aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts. 1806 – Napoleon wütete gerade in Europa – wurde Bayern zum Königreich und Maximilian I. der erste König von Bayern. Sein Innenminister, Maximilian Graf von Montgelas, hat Verwaltungs- und Finanzstrukturen für ein damals modernes Bayern geschaffen.1970 schienen diese Strukturen nicht mehr passend, da sie zu klein strukturiert waren. 1972 ordnete Bayern die Landkreisgrenzen neu. Der Landkreis Vilshofen, beispielsweise verschwand von der Landkarte, die Stadt Osterhofen kam zum Landkreis Deggendorf, die Landkreise Dingolfing und Landau wurden zusammengelegt und auch einzelne Gemeinden wechselten den Landkreis – so wie Lailling. Die kleine Gemeinde wechselte aus dem Landkreis Landau in den Landkreis Deggendorf.


Heftige Diskussionen im Gemeinderat

Der Gemeinderat diskutierte das damals heftig, stimmte dann mit einer Stimme Mehrheit für Deggendorf, weil die Gemeinde eine enge Verbindung mit Otzing hatte. So gehörte die Pfarrei schon seit 1871 zu Otzing, Pfarrer Josef Scheichert kam regelmäßig zu Gottesdiensten und Beerdigungen. Und auch die Laillinger Grundschulkinder gingen in Otzing zur Schule.

Ab 1975 machte sich die Verwaltung daran, die Grenzen der Gemeinden und Städte neu zu ordnen. Es sollte eine bürgernahe, moderne Struktur entstehen. Zentrale Orte sollten mit Einrichtungen so ausgestattet werden, dass das „wirtschaftlich sinnvoll und finanziell verkraftbar“ sei. Kleinere Gemeinden sollten in die größeren Städte eingemeindet werden. So würden die Städte gestärkt.

Plattling, so hieß es damals, solledanneineKfz-Zulassungsstelle bekommen. So reibungslos lief es aber nicht. Plattling wollte, dass möglichst viele Orte in die Stadt eingemeindet werden, Otzing aber wollte selbstständig bleiben.

Ende August 1975 beschrieb die Plattlinger Zeitung den Konflikt ausführlich. Alois Bauer, Bürgermeister von Otzing, wollte, dass die Gemeinde selbstständig bleibt, die Plattlinger Stadträte Wolfgang Eisenhofer und Herrmann Sterr wollten Plattling durch möglichst viele Eingemeindungen stärken. Sie kämpften mit Behauptungen, die jeweils die Gegenseite als unwahr und Unterstellungen zu entkräften versuchte.

Am 22. August 1975 hieß es in der Presse, dass sowohl die Regierung von Niederbayern als auch Innenminister Dr. Bruno Merk den Vorschlag angenommen hätten, dass Otzing, Lailling und Haunersdorf zur Stadt Plattling eingemeindet werden. Das erschien plausibel, weil die drei Gemeinden eng an Plattling angebunden waren, beispielsweise besuchten Schüler aus Otzing die Hauptschule in der Isarstadt, Lailling hatte beantragt, in den Schulverband Plattling aufgenommen zu werden. Bürger der Gemeinden besuchten gerne das Freibad in der Nachbarstadt, die Plattlinger Volkshochschule hatte eine Außenstelle in Otzing. Plattling hatte ein große, leistungsfähige Kläranlage – 65 000 Einwohnergleichwerte für damals 10 000 Einwohner.

Otzing pochte auf Eigenständigkeit

1969 war Enchendorf mit dem Industriegebiet Sanierung mit der Wurstfabrik von Eduard Stanglmeier zu Plattling gekommen. Sonst hätte Otzing die Wurstfabrik aufwendig an die eigene Kläranlage anschließen müssen.

Alois Bauer wollte jedoch Bürgermeister einer eigenständigen Gemeinde bleiben. In einem Artikel wurde das so kommentiert: „Es besteht noch etwas Unruhe, offenbar, weil man die Entwicklung unserer Zeit noch nicht genügend erkannt hat und weil da und dort persönliche Interessen eine querulante Situation schaffen.“

Bürgermeister Bauer argumentierte, dass Plattling nur das Geld der Gemeinde für sich haben wolle, um Schulden abzubezahlen und Otzing dann schlechter gestellt und vernachlässigt würde. Wie Plattling mit seinen Satelliten-Orten umgehe, könne man an Pielweichs, Enzkofen und Enchendorf sehen. „... lassen Sie uns in Ruhe! “, schrieb er in einem Leserbrief, der am am 29. August veröffentlicht wurde, an die Stadträte Eisenhofer und Sterr. „Wir sind als Landgemeinde glücklich und zufrieden.“

Am Samstag, 23. August 1975,hatte die Stadt Plattling die Gegenargumente vorgestellt: Gelder seien beispielsweise in Pielweichs zweckgebunden verwendet worden und der Ortsteil habe noch ein Guthaben von 100 000 D-Mark für den Kanalbau. Der Staat fördere Eingemeindungen mit fast auf das Doppelte erhöhten Schlüsselzuweisungen und einem Förderbeitrag von 80 D-Mark für jeden Einwohner der aufgenommenen Gemeinde. Und bis Otzinger in den Plattlinger Stadtrat gewählt würden, könne ein Ortssprecher an den Sitzungen teilnehmen und Anträge stellen.

Am Sonntag, 24. August 1975, stimmten 415 von 776 stimmberechtigten Otzinger Bürgerinnen und Bürgern ab: 350 sprachen sich dafür aus, dass Otzing in einer Verwaltungsgemeinschaft (VG) mit Niederpöring und Wallerfing selbstständig bleiben solle, 64 stimmten für die Eingemeindung nach Plattling. Für Otzing war die Sache klar.

Was auch immer hinter den Kulissen diskutiert worden ist, letztendlich ist Otzing in einer Verwaltungsgemeinschaft mit Oberpöring und Wallerfing selbstständig geblieben. 1976 feierten Alois Bauer und die Bürger der Landgemeinde diese Entwicklung mit dem ersten Otzinger Volksfest.

Mehrere Kommunen, eine Verwaltung

Die Verwaltungsgemeinschaft war eine Erfindung von von Gottfried Schmid: Schmid war von 1975 bis 1987 Regierungspräsident von Niederbayern. Er stammte aus der Schmidmühle, Gemeinde Niederpöring, und wollte seiner Heimatgemeinde die Eigenständigkeit erhalten. In einer VG können kleinere Gemeinden Verwaltungskosten sparen. Sie teilen sich Personal und Verwaltungsgebäude, bleiben aber politisch mit eigenem Gemeinderat und Bürgermeister selbstständig.

Für Niederpöring plante Schmid zunächst eine VG rechts der Isar mit Aholming, Langenisarhofen, Moos, Ettling, Gneiding, Wallerfing, Buchhofen und Ottmaring mit Sitz in Aholming. Otzing sah er in einer VG links der Isar mit Michaelsbuch, Stephansposching, Natternberg und Rottersdorf. Daraus wurde bekanntlich nichts.

Am 1. Mai 1978 kamen Haunersdorf und Lailling zu Otzing. Die Gemeinde blieb eigenständig in einer VG mit Niederpöring und Wallerfing. Die Verwaltung war zunächst im ehemaligen Schulhaus in Niederpöring untergebracht. Am Silvestertag 1985 kauften die Gemeinden das Schloss Niederpöring und bauten es zu ihrem gemeinsamen Rathaus aus. Hannelore Summer
  

Gegen Widerstände

1978 kam die Gemeinde Pankofen zu Plattling

Plattling, das zwischen der Isar und der Flächengemeinde eingezwängt ist. Altholz, Enzkofen, Höhenrain, Holzschwaig, Pankofen selbst, Pankofen-Bahnhof, Ringkofen, Rohr, Scheuer, Schiltorn und Singerhof gehörten einst zum Gemeindegebiet Pankofen. Während Enzkofen bereits 1962 wegen der Zuckerfabrik ein Stadtteil Plattlings wurde, behielt Pankofen seine eigene Verwaltung.

Viele alteingesessene Pankofener erinnern sich noch genau an die Widerstände gegenüber der Eingemeindung in die Stadt Plattling. Kein Wunder, war Pankofen damals doch die reichere Kommune: Auf dem Gemeindegebiet hatten sich bereits einige Industriebetriebe wie zum Beispiel Kermi angesiedelt. Man wollte die ländliche Gemeinde zwischen Plattling und Deggendorf bleiben. Die Pankofener dachten eher daran, mit Stephansposching und Natternberg zusammen zu gehen. Mit Natternberg verbindet die Pankofener etwa, dass es noch bis in die 70er Jahre eine Teilhauptschule gab, die auch Kinder aus Natternberg besuchten.

Mehr nach Plattling als nach Deggendorf orientierten sich die Einwohner der Gemeinde aber schon immer. Bestes Beispiel: Pankofen gehörte schon vor der Gebietsreform zur Pfarrei St. Magdalena, weil das Bistum im Dorf keine eigene Pfarrei mit einem Friedhof einrichten wollte. Daraufhin wurden Rathaus aus. Hannelore Summer auf Kosten des Dorfes vor rund 120 Jahren eine kleine Kapelle gebaut.

Im Dorf hat sich in den folgenden Jahren einiges verändert. Bank- und Postfiliale wurden geschlossen, genauso wie ein Lebensmittelgeschäft. Dafür kamen Globus und Industriegebiete, über die die Einwohner Pankofens wegen des Lautstärke und des Verkehrsaufkommens nicht besonders glücklich waren.

Für die Pankofener hat sich aber auch vieles positiv verändert – etwa ein ausgelasteter städtischer Kindergarten. Und obwohl die Bürger ihre Eigenständigkeit verloren haben, betonte der ehemalige Bürgermeister Georg Hackl später, dass „uns die Stadt Plattling gut behandelt hat“. − pz