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1972 wurde Deggendorf zur Großen Kreisstadt

Groß statt kreisfrei

Beim Brückeneinsturz von 1816 retten Fischerdorfer auch Deggendorfer, zeigt diese Votivtafel. − Foto: Stadt Deggendorf

Beim Brückeneinsturz von 1816 retten Fischerdorfer auch Deggendorfer, zeigt diese Votivtafel. − Foto: Stadt Deggendorf

04.07.2022

Deggendorf. Die Freude über die Gebietsreform hatte sich in der Stadt Deggendorf in Grenzen gehalten. Zwar erhielt sie zum 1. Juli 1972 den Titel „Große Kreisstadt“, verlor allerdings die Kreisfreiheit. Doch die Eingliederung der Stadt vor 50 Jahren in den Landkreis sollte sich als Gewinn herausstellen und bescherte der Stadt eine wirtschaftlich aussichtsreiche Ausgangslage. Das wird auch beim Jubiläum deutlich, das heute begangen wird.1972 erstmals für die SPD und als damals jüngstes Mitglied in den Stadtrat gewählt worden war Kurt Kindel. Der heute 77-Jährige kann sich noch gut daran erinnern, dass seine „erste Reaktion auf die Rückkreisung eine traurige“ war, weil die gesamte 1972 wurde Deggendorf zur Großen Kreisstadt Selbstständigkeit der Stadt damit hinfällig war. Die Traurigkeit aber wich schnell: „Im Nachhinein gesehen sind dadurch viele finanzielle Belastungen aus der Zuständigkeit der Stadt herausgefallen“, als Beispiel nennt er Krankenhaus, Schulen und Polizei. Dadurch sei die finanzielle Belastung für die Stadt geringer geworden.


Die einst eher beschauliche Kleinstadt hat sich zu einer deutschlandweit und international anerkannten Hochschulstadt entwickelt, hat mit der Landesgartenschau überregionale Beachtung gefunden, verfügt über eine optimale Verkehrsanbindung zu Lande und zu Wasser und erfreut sich großer Beliebtheit als Kultur- und Einkaufsstadt – um nur einiges zu nennen.

Die Region an der Donau mit einem natürlichen Flussübergang hatte schon vor Jahrtausenden große Anziehungskraft auf Jäger, Sammler und Siedler. Funde im Gebiet der heutigen Großen Kreisstadt Deggendorf stammen aus der Steinzeit und sind mindestens 50 000 Jahre alt. Bereits vor 5000 Jahren, so die Annahme der Archäologen, soll es am Natternberg eine Siedlung der Linearbandkeramik gegeben haben.

Genau1020 Jahre ist es her, dass Deggendorf erstmals urkundlich erwähnt wurde, das Jubiläum800 Jahre Stadterhebung (1212) wurde vor zehn Jahren groß gefeiert. Weniger zum Feiern war den Stadtvätern, vor allem Berthold Heckscher, Oberbürgermeister von 1962 bis 1983, als Deggendorf im Zuge der Gebietsreform den Status einer kreisfreien Stadt verlor, ein Privileg, das sie seit 1879 (mit Ausnahme von 1940 bis 1948) hatte.

Zum 1. Juli 1972 wurden die einst selbstständigen Gemeinden Deggenau (1708 Einwohner) und Fischerdorf (844) Teil der Stadt Deggendorf, zum1. Januar 1974 folgte Mietraching (1771) samt dem bereits 1972dorthin eingemeindeten Greising. Die Erweiterung Deggendorfs setzte sich im April 1976 mit einem Großteil Seebachs (831) fort und schließlich 1978 mit Natternberg (2998). Die Fläche hatte sich durch die Eingemeindungen fast verfünffacht, die Bevölkerungszahl wuchs auf fast 30 000. Aktuell beträgt sie etwa 37 000 (mit Zweitwohnsitzen).

Das war „für die Stadtentwicklung von enormer Bedeutung“, sagt der Historiker Prof. Dr. Lutz-Dieter Behrendt. Die größten Betriebe liegen auf eingemeindetem Territorium. Der Hafen in Deggenau kam zur Großen Kreisstadt, die später entstandenen Gewerbegebiete Brunnwiesen, Gstocketwiesen und Sommerfeld bei Fischerdorf sowie Untere Steinfelder bei Natternberg. Doch nicht nur die Stadt als Ganzes, auch die eingemeindeten Ortschaften hätten durch die Vereinigung gewonnen, so die Einschätzung von Prof. Dr. Behrendt.

Das Stadtgebiet hat sich auf der rechten Flussseite bis über das Gebiet des heutigen Autobahnkreuzes von A3 und A92 – übrigens das einzige in Niederbayern – hinaus erweitert. Die ausgezeichnete Verkehrsanbindung zu Wasser und zu Lande biete „hervorragende Standortbedingungen für Betriebe aller Art, die durch die Ausweisung von Industrie- und Gewerbegebieten konsequent und beispielgebend genutzt werden“, sagt etwa Andreas Ober, Wirtschaftsförderer des Landkreises Deggendorf. Astrid C. Hahne