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Franz Schumertl, Alfons Urban, Alexander Muthmann, Ludwig Lankl und Sebastian Gruber

Landkreis Freyung-Grafenau: Fünf Landräte in 50 Jahren

Vier Landräte auf einem Bild: Alexander Muthmann (v. l.), Sebastian Gruber, Ludwig Lankl und Alfons Urban. − Fotos: PNP

Vier Landräte auf einem Bild: Alexander Muthmann (v. l.), Sebastian Gruber, Ludwig Lankl und Alfons Urban. − Fotos: PNP

04.07.2022

FRG. Fünf Männer standen bis dato dem Landkreis FRG vor. Angefangen von Franz Schumertl (SPD) über Alfons Urban (CSU), Alexander Muthmann (FW), Ludwig Lankl bis hin zum jetzigen Landrat Sebastian Gruber (beide CSU). „Wo steht das Geburtstagskind?“, wollten wir von den noch lebenden Amtsinhabern wissen.Altlandrat Alfons Urban (St. Oswald): „Ich war zwar 1972 als Kreisvorsitzender der JU Grafenau bereits politisch aktiv, aber ich habe mich nicht eingemischt, denn die politischen Mandatsträger hätten eine Zusammenlegung mit dem Landkreis Regen vorgezogen. Ich aber war schon gut bekannt mit den Wolfsteinern, weil ich 1970 bei der Landtagswahl auf der Liste für den Stimmkreis Grafenau-Wolfstein-Wegscheid kandidiert hatte. Ich habe den Eindruck, dass das Grafenauer und das Wolfsteiner Land gut zusammengewachsen sind. Von Grafenau aus hatte ich nie ein Problem mit den Wolfsteinern: Sie haben mir vertraut und ich ihnen.“Altlandrat Alexander Muthmann (Freyung): „Für den Landkreis Freyung-Grafenau waren die vergangenen 50 Jahre eine gute Zeit. Eine funktionierende Verwaltungs- und Organisationseinheit ist entstanden. Ich denke dabei zum Beispiel an eine tragfähige Krankenhausstruktur, ein Netz an weiterbildenden Schulen oder den Öffentlichen Personennahverkehr. In diesen Bereichen war und ist es wichtig, über kleine Strukturen hinaus zu denken und Entscheidungen zu treffen. Die fortschreitende Globalisierung lässt uns da keine Wahl.


Ich habe allerdings den Eindruck, dass genau diese immer komplexer werdende Welt dazu führt, dass sich die Menschen auch im Landkreis FRG verstärkt mit kleineren Einheiten identifizieren. Als Beleg dafür nehme ich die große Nachfrage nach den alten Autokennzeichen, die seit 2013 wieder vergeben werden.

Ich habe in den vergangenen Jahren – seit ich in Freyung lebe – immer wieder beobachtet, dass die Kreisräte bei Investitionen des Landkreises mit Adleraugen auf regionale Ausgewogenheit achten. Da wird schnell die Rivalität zwischen den Städten Freyung, Grafenau und Waldkirchen spürbar. Ich erinnere nur an die Diskussion um den Standort für ein niederbayerisches Verwaltungsgericht.

Rational ist FRG eine Einheit, nicht aber vom Herzen her. Da zählen für die Menschen andere Identifikationsfaktoren. Emotional liegen ihnen die Gemeinde oder der Heimatort näher. Zu dieser Situation trägt sicher auch bei, dass der Landkreis kein eigener Stimmkreis ist, sondern bei der Landtags- und Bundestagswahl auf zwei Landkreise aufgeteilt ist.

Landkreis Freyung-Grafenau: Fünf Landräte in 50 Jahren-2
Franz Schumertl †

Emotionale Bindungen kann man nicht erzwingen. Aber als Instrument, eine gute Zukunft für die Menschen zu schaffen, ihnen das Leben zu erleichtern, ist der Landkreis FRG gut aufgestellt. Und das ist das Wichtigste.“

Altlandrat Ludwig Lankl (Ringelai): „Die Rivalität ist kein Thema mehr. Es ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Zwei Dinge sind mir aus meiner Amtszeit in Erinnerung geblieben. Die Einführung der Kennzeichen WOS und GRA zum FRG. Ich glaube, dass ein Landkreis auch nur dann stabil ist, wenn man Emotionen und Stolz auf seinen Ort zulässt. Durch diese Schilder wurden die Emotionen in positive Bahnen gelenkt.

Was ich nicht gutheißen mag, ist die Wahlkreisreform. Wenige FRG-Kommunen gehören zu einem anderen Wahlkreis. Das muss und kann niemand verstehen und trägt zur weiteren Politikverdrossenheit bei.“

Landrat Sebastian Gruber (Freyung): „Es war keine einfache Geburt, mussten doch zwei ehemals eigenständige, selbstbewusste und stolze Landkreise zusammengeführt werden. Trotzdem ist das Zusammenwachsen im Landkreis FRG gut gelungen. Zusammenwachsen und Zusammenbleiben ist aber ein Prozess, der nie zu Ende geht und für den man immer etwas tun muss. Das ist wie bei Freundschaften und zwischenmenschlichen Beziehungen.

Dabei liegt es in erster Linie an den politisch verantwortlichen Mandatsträgern, wie man den gemeinsamen Landkreis pflegt und wie man das für die Bevölkerung vorlebt. Aktuell ist erfreulicherweise festzustellen, dass es innerhalb des Kreistags und der Landkreis-Bürgermeister einen regen Austausch gibt und ein gutes Klima herrscht.

Selbstverständlich identifizieren sich Bürger mit ihrer Heimatgemeinde und ihrem Heimatlandkreis. Sie denken aber überwiegend nicht in Verwaltungseinheiten, sondern vielmehr in Lebens-, Wirtschafts- und Kulturräumen. Da spielt es in vielen Fällen nicht die große Rolle, ob der Arbeitsplatz, die Freizeiteinrichtung oder die Kulturveranstaltung in der Heimatgemeinde ist. Entscheidend sind Angebot, Attraktivität und Erreichbarkeit.

Bei bestimmten, überregionalen Infrastrukturen, z. B. im Bereich der Gesundheitsversorgung, bei Bildungseinrichtungen, bei Behördenverlagerungen oder im Freizeitbereich, stehen die Kommunen im gesunden Wettbewerb. Bruchstellen im Zusammenwachsen des Landkreises hat es gegeben und kann es geben, wenn sich aus dem gesunden Wettbewerb überzogene und übertriebene Rivalität entwickelt. Das schadet Freyung-Grafenau und manchmal auch dem gesamten Bayerischen Wald. Wir sind also gut beraten, authentisch, gemeinsam, mutig, respektvoll und selbstbewusst für die Region zu arbeiten. Der Landkreis Freyung-Grafenau, aber vor allen Dingen die Menschen, die hier leben, haben es verdient.“ − an/ul

Kommentar

(Fast) fest zusammengewachsen

Vor 50 Jahren haben sie sich getroffen. Wer damals Braut und wer Bräutigam war, tut hier nichts zur Sache. Sie haben „Ja“ gesagt – weil sie zwangsverheiratet wurden. Und wie es bei einem so stolzen Ehejubiläum üblich ist, gibt es einen Bericht in der Heimatzeitung.

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Dazu die obligatorische Frage: Was ist das Geheimnis einer so langen Ehe? Beide schauen sich lange an und antworten: Rücksicht nehmen, den anderen achten, Fehler verzeihen. Dann drücken sie sich fest. So dass der Außenstehende sagen muss – undenkbar, dass diese beiden kein Paar wären. Vor 50 Jahren wurde aus den Landkreisen WOS und GRA ein FRG.

Ein festes Konstrukt mit feinen Bruchstellen. So lässt sich das Geburtstagskind charakterisieren. Die Größe dieser Bruchstellen hängt auch entscheidend davon ab, wie die politischen Konstellationen in den drei Städten ausschauen. Sind Freyung, Waldkirchen, Grafenau und der Landrat alle schwarz – oder alle grün-orange, herrscht Einigkeit. War und ist die Farbpalette mit CSU und Freien Wählern, zuweilen SPD, durchmischt, gehört Säbelrasseln mit dazu.

Den anderen achten. Dazu gehört auch der Ausgleich, wer was bekommt. Wer bekommt die Techcampi? Wer Behördenauslagerungen? Wessen Krankenhaus wird geschlossen? Wie in einer guten Ehe knirscht es hie und da im Gebälk. Am Ende ist dann doch wieder alles gut.

Mia sanmia. Und wenn ma a scha 50 sand, schaun ma na goa ned so oid aus. Oda?

Andreas Nigl