Nach einer im Stadtarchiv befindlichen Urkunde wurde bereits im Jahr 1870 in Waldkirchen zum ersten Mal ein Turnverein gegründet. Die Gründungssatzung wurde am 24. Februar 1870 von Bürgermeister Ratzesberger für den Magistrat der Stadt Waldkirchen und von J. Weiß für den Turnverein unterzeichnet. Der Verein setzte sich die Förderung einer möglichst vielseitigen Ausbildung der körperlichen Kräfte seiner Turnzöglinge zum Ziel. Letztere hatten die zum Turnen vorgeschriebene Kleidung zu tragen, durften während der Übungen nicht sprechen und mussten sich möglichst diszipliniert verhalten.
Nach kurzer Blütezeit scheint der Verein aber schon vor der Jahrhundertwende eingeschlafen sein. Leider existieren außer der Gründungssatzung aus dieser Zeit keine Vereinsaufzeichnungen und auch in der damaligen Presse finden sich keine Berichte über den TV Waldkirchen, da die erste Lokalzeitung, der „Waldkirchner Anzeiger“ erst ab September 1894 herausgegeben wurde. Auch in den Archiven der Stadt Passau, mit den damaligen Ausgaben der überregionalen „Donauzeitung“, gelang es trotz intensiver Bemühungen nicht, Berichte über das Vereinsleben vor 1900 zu finden.
Nach dem Erlöschen des Vereinslebens gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte am 10. Mai 1906 im Gasthaus Matthias Hansl die Neugründung eines Turnvereins in Waldkirchen. Zum ersten Vorsitzenden wurde bei der Versammlung der 67 Mitglieder am 19. Mai 1906 der Distriktstierarzt Wilhelm Bayer gewählt. Ab diesem Zeitpunkt existieren auch viele Belege für das sehr rege Vereinsleben. Die Schwierigkeiten, die sich für die Vereins verantwortlichen bei der Wiederbelebung des Turnvereins ergaben, illustriert ein Gesuch an den Magistrat der Stadt Waldkirchen vom 15. Juli 1906, mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. Die wohlgesetzten Worte des damaligen Vorsitzenden zeigen, dass sich die Probleme eines Sportvereins von heute nicht allzu sehr von denen der damaligen Zeit unterscheiden. Zu bemerken bleibt aber, dass die Bitten des Turnvereins bei den Räten des Marktes kein Gehör fanden und das Gesuch in der Magistratssitzung vom 9. August 1906 abgelehnt wurde.
Bereits zur damaligen Zeit stellten die „Turnerkränzchen“ des Vereins einen Höhepunkt im Waldkirchner Leben dar, eine Tradition, die der TSV Waldkirchen auch heute noch mit seinem Faschingsprogramm in Ehren hält.
Mit der Eröffnung des Sommerturnplatzes im Barongarten am 23. Juni 1907 nahm das sportliche Treiben der Turner immer mehr zu und der Ruf nach einer Turnhalle wurde laut. Der Waldkirchner Metzgermeister Josef Meindl erinnert im November 1980 in einem Gespräch mit Paul Praxl, dem damaligen Leiter des Waldkirchner Stadtarchivs, an die Probleme der damaligen Zeit, die er als Kind noch miterlebt hatte: „Geturnt wurde ursprünglich im Gaßnersaal, dann im ersten Stock des Baronhauses, im Sommer auch im Turngarten des Barons, gleich hinter der Magdalenen-Kapelle. Dort sollte ursprünglich auch eine Turnhalle gebaut werden. Der Plan und die Grundmauern waren bereits vorhanden, doch wurde auf Einspruch des Pfarrers wegen der Kapelle der Bau eingestellt.“
Obwohl sich der Bau einer Turnhalle in den nächsten Jahren nicht realisieren ließ, konnte der Turnverein bis zu Beginn des 1.Weltkriegs seine Mitgliederzahlen halten und trat nach wie vor öffentlich in Erscheinung. Der Kriegsbeginn 1914 brachte das Vereinsleben fast schlagartig zum Erliegen, da die ausnahmslos männlichen und jungen Turner natürlich zum Kriegsdienst fort mussten. Die folgende fünfjährige Kriegspause wurde am 26. Februar 1919 mit der Generalversammlung des Turnvereins beendet.
Der Waldkirchner Anzeiger berichtet hierüber in seiner Ausgabe vom 1. März 1919: „Nach nahezu fünfjähriger Kriegspause soll wieder neues Leben im Turnverein pulsieren. Vergangenen Mittwoch fand man sich deshalb in der Turnerherberge, der Brauerei von Münster, zur Generalversammlung ein. Der gute Besuch derselben seitens der vom Krieg glücklich heimgekehrten Turner und seitens der Jungmannschaft Waldkirchens ist ein verheißungsvolles Anzeichen. Der Vorstand, Herr Kaufmann Brandstätter nahm die Versammlung zum freudigen Anlass, den vom Kriege heimgekehrten Turnern ein Willkommen zuzurufen und ihnen für ihre Tapferkeit den Dank der Heimat auszudrücken. 17 Mitglieder verlor der Verein auf dem Schlachtfelde, zwei sind vermisst, vier in Gefangenschaft und 33 haben Kriegsauszeichnungen erhalten. Die folgende Neukonstituierung des Verwaltungsrates hatte zum Ergebnis: Vorstand Kaufmann Xaver Prandstätter, Schriftwart Tischlermeister Xaver Stammler, Säckelwart Gerichtsassistent L. Wagner, 1. Turnwart Zinngießermeister Franz Vogl, 2. Turnwart Spänglermeisterssohn Josef Kümmerl, Zeugwart Photograf Richard Hirsch, Beisitzer Sigger Cornell, Gefängniswärter Josef Erlmeier, Hauptlehrer Hans Pöppl, Kaufmann Hermann Killesreiter.
Im sportlichen Bereich ging es in den Jahren nach dem 1.Weltkrieg stetig aufwärts. Vor allem der Fußballsport wurde modern und es fand sich auch in Waldkirchen eine Gruppe von fußballbegeisterten Turnern zusammen. Diese bildete im März 1920 eine Abteilung unter eigener Vorstandschaft und schloss sich nach etlichen Differenzen im Juli 1920 als Zweigabteilung dem Turnverein an. Im Oktober 1922 wurde erstmals über den Spielbetrieb der Abteilung Fußball im Waldkirchner Anzeiger berichtet. Der Fußballplatz befand sich damals auf dem ehemaligen Ziegeleigelände in Frischeck und war bis nach dem2.Weltkrieg die sportliche Heimat der Fußballer. Leider konnten die Differenzen zwischen den Turnern und Fußballern nie ganz ausgeräumt werden. So entwickelte sich die Abteilung Fußball im Laufe der 20er Jahre immer mehr zu einem eigenen Verein, der sich schließlich „Fußballclub Waldkirchen“ nannte und eigene Mitgliedskarten vergab.
Für den Sportbetrieb des Turnvereins stand zu Beginn der 20er Jahre ein Teil der gemeindlichen Viehweide unterhalb des Karoliplatzes als Sommerturn- und Spielplatz zur Verfügung, auf der allerdings nach einem Beschluss des Marktgemeinderates 1921 nicht Fußball gespielt werden durfte. Ungelöst war nach wie vor das Problem mit der Turnhalle. 1922 wurde in der Generalversammlung ein Bauausschuss für die Planung eines Turnhallengebäudes bestellt. Der Verein erhielt daraufhin 1924 von Rudolf Freiherr von Münster ein Grundstück zum Bau einer Halle und eines Turnplatzes. Der Marktgemeinderat beschloss in seiner Sitzung im Oktober 1924 die Übernahme der zum Bau notwendigen Bürgschaft in Höhe von 5000 Mark. Die Vorbereitungen des Baus gestalteten sich schwierig, da fast keine Eigenmittel zur Verfügung standen, so dass erst gegen Ende 1925 unter dem Vorsitzenden Hermann Killesreiter ernsthaft mit dem Bau begonnen werden konnte. Der Bau der Turnhalle machte rasch Fortschritte, so dass bereits im September 1926 die Hebefeier anstand und die Halle im November des gleichen Jahres mit einem Kathreintanz ihre erste Veranstaltung erlebte und dann auch der Sportbetrieb in der Halle aufgenommen werden konnte. Mit der Turnhalle stand erstmals auch ein vereinseigener Raum für gesellschaftliche Veranstaltungen der Turnerschaft zur Verfügung, der in der Folge immer mehr genutzt wurde. So stand im Februar 1927 ein Oktoberfest auf dem Programm, das sich durchaus mit den Darbietungen des heutigen „Bunten Abend“ vergleichen lässt und über Jahre hinweg sogar unter dem Namen„ Bunter Abend“ fester Bestandteil des Vereinslebens war. Die vereinseigene Turnhalle wurde 1998 mit großem finanziellem Aufwand saniert. po
Im sportlichen Bereich...
...waren die Turner des Vereins in der 20er Jahren auf allen wichtigen Turnfesten im Turngau vertreten. Besonders oft tauchten in den Starterlisten die Namen Josef Meindl, Max Salzinger, Alois Vogl, Engelbert Holzfurtner und Ignaz Thurner auf. Aber auch die Damen waren als Turnerinnen aktiv, hier vor allem Nellie Irlesberger und Amalie Staudt.
Der Hauptsport des Vereins war nach dem 2. Weltkrieg Fußball und eine starke Mannschaft nahm mit Erfolg den Spielbetrieb auf. 1946 wurde mit Hilfe der amerikanischen Besatzung der Sportplatz am Karoli gebaut, der dann dem TSV als Sportstätte zur Verfügung stand. In den 60er und 70er Jahren kamen weitere Abteilungen hinzu, so dass neben den Turnern, Gewichthebern, Tischtennisspielern und Fußballern, nun auch Eisstockschießen, Volleyball, Schach, Judo und Karate im Sportangebot des TSV vertreten war. Die positive Entwicklung der Mitgliederzahl setzte sich bis heute fort. Der Verein zählt heute 1225 Mitglieder.
Die Erfolge der TSV-Sportler konnten sich in den letzten Jahrzehnten sehen lassen. So waren die Fußballer 1992 Meister der Bezirksoberliga und spielten ein Jahr in der Landesliga, die B-Jugend konnte zweimal den Niederbayerntitel erringen, die Gewichtheber sammelten viele Titel auf Niederbayern- und Bayernebene, erfolgreich waren auch die Schachspieler, ebenso die Volleyballer, die sich als kampfstarkes Team in der Landesliga einen Namen machte. Auch die Eishockeyabteilung stellte eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine. Sie ist aber zwischenzeitlich ein eigenständiger Verein. Überregionale Erfolge erzielten die Sportlerinnen im Eislauf. Derzeit gehören die Sparten Badminton, Coronargruppe, Eiskunstlauf, Fußball, Garde, Gewichtheben, Rhythmische Gymnastik, Ju-Jutsu, Taekwondo, Tischtennis, Turnen, Volleyball und Westernreiten dem TSV an.
Die Vorsitzenden: Wilhelm Bayer von Mai bis September 1906; Ludwig Ilgmeier von 1906 bis 1912; Josef Erlmeier von 1912 bis 1914; Xaver Prandstätter von 1919 bis 1925, Hermann Killesreiter von 1925 bis 1928; August Vogler von 1928 bis 1929; Dr. Karl Pfau von 1929 bis 1930; Max Krinninger von 1930 bis 1934; Christoph Friedl von 1934 bis 1936; Georg Gronauer von 1936 bis 1937; Max Krinninger von 1937 bis 1942; Franz Setzer von 1946 bis 1951; Rudolf Radl von 1951 bis 1953; Werner Rehmund von 1953 bis 1959; Heinrich Exl von 1966 bis 1974; Rudolf Hettl von 1966 bis 1974; Josef Massinger von 1974 bis 1982; Reinhard Maier von 1982 bis 1986; Alois Atzinger von 1986 bis 1990; Hans Damberger von 1990 bis 1995 und Reinhard Meier ununterbrochen seit 1995. po